Lahnauen bei Gießen


  • 03 Nov, 2015
  • V. Mader & S. Rösner

Gebietsbeschreibung

Die Lahnaue mit Flächen in Gießen, Wetzlar, Heuchelheim und Lahnau befindet sich in den beiden Landkreisen Gießen und Lahn-Dill und gehört mit 251 nachgewiesenen Brut- und Rastvögeln zu den bedeutendsten Vogelschutzgebieten.

Im Bereich des Gießener Beckens mit den Schutzgebieten ist die Lahnaue am stärksten abgesenkt – mit 0,35 Promille ist das Gefälle der Lahn rund um Heuchelheim am geringsten – und wird vom Überschwemmungsbereich der Lahn beeinflusst. Der etwa 2 km breite Talboden stellt einen der wichtigsten Retentionsräume im gesamten Gewässerverlauf dar, was zur Ausbildung des auentypischen Kleinreliefs mit Mulden, Senken und Aufhöhungen führte. Da der hohe Wasserstand eine Ackernutzung in der Aue verhindert, wird ein großer Teil des Vogelschutzgebiets als Grünland genutzt. Durch die kleinparzellierten Besitzverhältnisse der Flächen ist eine zeitliche Staffelung der Mähzeiten möglich, was dem Naturschutz zugute kommen kann.

Im 17. Und 18. Jahrhundert wurde die Lahn bis Gießen schiffbar gemacht, so dass Flussbegradigungen, Schleusenbau und Durchstriche von Flussschleifen wesentliche Eingriffe im Lahntal darstellten. Von 1960 bis 1996 wurde industriell Kies gewonnen. Dank der Bürgerinitiative „Rettet die Lahnaue“, HGON und NABU existieren die heutigen Schutzgebiete in der Lahnaue: Das 560 ha große Vogelschutzgebiet beinhaltet ein etwas kleines FFH-Gebiet und die drei Naturschutzgebiete „Auloch bei Dutenhofen und Sändchen von Atzbach“, „Westspitze Dutenhofener See“ und „Lahnaue bei Atzbach, Dutenhofen und Heuchelheim“. Hier finden sich unterschiedliche Lebensräume, wie Auenwiesen, gewässerbegleitender Auenwald, Flachwassergebiete, Verlandungszonen, Steilufer, Nasswiesen, Kiesbänke, Teiche und Tümpel. Außerhalb der Schutzgebiete liegen der größere Ostteil des Dutenhofener Sees und zwei Auskiesungsseen, die der Freizeitnutzung dienen. Sowohl für Wasservögel als auch für Offenlandarten ist die Lahnaue eines der bedeutendsten Rastgebiete in Hessen.

Weiterführende Links:

In den 1960er Jahren begann man, die Kiese und Sande des Lahntals im Bereich Heuchelheim industriell abzubauen. Nach Ende der Abbauaktivitäten wurden die Gruben geflutet und als Ausgleich zu den massiven Eingriffen in die Lahnauen, weitere Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt. So entstand über die Jahre eine naturnahe Auenlandschaft, die zahlreichen Tier- und Pflanzenarten wieder ein attraktives Habitat bieten. Teile der Seen sind heute für viele Menschen insbesondere im Sommer durch Biergarten, Badeoptionen, Wasserski-Angebote sehr attraktiv. Entlang der Radwanderwege kann man das Gebiet erkunden.

Besucherhinweise

  • Ausgangspunkt für Exkursionen sind die Parkplätze an der L 3359 südlich von Heuchelheim und die Eingangsbereiche zur Lahnaue vom Bahnhof Dutenhofen und Atzbach aus. Koordinaten: 50.575110, 8.629827 (Besuchertafel); 50.566093, 8.599794 (Lahnbrücke Dutenhofen in Nähe Bahnhof)
  • Busanbindung: Buslinien 11, 17/18, oder Bahnen RB40, RE40, R25/35 bis Haltestelle Wetzlar-Dutenhofen

  • Park & Ride Parkplatz des Bahnhofs Wetzlar-Dutenhofen

Literatur

  • Nitsche, S. & Nitsche L. (2009): Naturschutzgebiete in Hessen schützen – erleben – pflegen. Band 5. Landkreis Marburg-Biedenkopf, Lahn-Dill-Kreis, Landkreis Gießen. Herausgegeben von der Nordhessischen Gesellschaft für Naturkunde und Naturwissenschaften. cognitio, Niedenstein.
Die Lahnauen ...

Schilf ( Phragmites australis )

Artname (deutsch): 
Schilf
Schilf ist die prägende Pflanze der Gewässerufer und Verlandungszonen schlechthin. Mit seinen unterirdischen Wurzelausläufern kann sich dieses mehrere Meter hohe Gras flächig ausbreiten, was zur Entstehung ausgedehnter „Schilfwälder“ führt; ein Landschaftselement, das für viele Feuchtgebiete Hessens typisch ist. Schilfröhrichte sind von elementarer Bedeutung für die Vogel- und auch sonstige Tierwelt an Gewässern. Der Bestandteil „Rohr“ im Namen weist oft auf einen typischen Schilfbewohner hin. Ein Beispiel hierfür sind die Rohrsänger – eine Gattung von im Schilf brütenden Singvögeln.

Haubentaucher ( Podiceps cristatus )

Artname (deutsch): 
Haubentaucher
Englischer Artname: 
Great Crested Grebe

Haubentaucher brüten an größeren Gewässern aller Art, wie Seitengewässer größerer Flussauen oder auch in gestauten Bereichen von Flüssen. In Hessen erreichen sie am Edersee den höchsten Brutbestand mit etwa 50 Paaren. In den Rheinauen ist ihre Dichte dagegen stark zurückgegangen. Die vom Menschen verursachten Schwankungen im Wasserstand, Verfolgung und schlechte Wasserqualität machten dem Haubentaucher vor allem in den 1970er Jahren zu schaffen. Durch Schutzmaßnahmen und ein besseres Nahrungsangebot konnte sein Bestand wieder ansteigen. Haubentaucher machen ihrem Namen alle Ehre: Vom Rücken ihrer Eltern aus können die kleinen Küken kurz nach dem Schlupf schon Tauchgänge bis zu 40 m Tiefe meistern. Besonders eindrucksvoll sind auch die Balztänze, die das Paar synchron oder spiegelbildlich vorführt und die schon im Spätwinter beobachtet werden können.

Höckerschwan ( Cygnus olor )

Artname (deutsch): 
Höckerschwan
Englischer Artname: 
Mute Swan

Der Höckerschwan brütet vorzugsweise an Stillgewässern in Auen größerer Flüsse. In besonders geeigneten Lebensräumen kann er hohe Dichten erreichen. Teilweise gibt es auch größere Vorkommen an Parkgewässern in Städten, wie in Frankfurt oder Marburg. Im Winter können wir Höckerschwäne oft auch in Trupps auf Feldern und Wiesen beobachten. Im Gegensatz zu Norddeutschland sind Höckerschwäne in Hessen nicht einheimisch, da sie über mehrere Jahrhunderte hinweg als Parkgeflügel ausgesetzt wurden. Nachdem der Bestand im Laufe des Zweiten Weltkriegs aufgrund des Hungers in der Bevölkerung weitgehend erloschen war, kam es erst wieder 1959 zur ersten Brut außerhalb von Parks. Seitdem hat der Bestand kontinuierlich zugenommen, auch wenn vielerorts ansässige Brutpaare nicht (mehr) brüten.

Das Märchen vom hässlichen Entlein? Nicht unbedingt: Eine interessante Besonderheit ist die sogenannte „Immutabilis-Variante“: Normalerweise sind die Dunenküken und Jungvögel grau, bei den Immutabilis dagegen sind die Jungen weiß. Diese Farbvariante  wurde vermutlich in historischer Zeit gezüchtet. Bei den Zählungen 2001 und 2002 gehörten etwa die Hälfte (46 %) dieser Farbvariante an, wobei häufig auch beide Formen in einer Schwanenfamilie auftreten. Immutabilis-Vögel sind zeitlebens durch fleischfarbene Beine und Schwimmhäute gekennzeichnet, ihnen fehlt der Farbstoff Melanin. Übrigens gehören die Höckerschwäne tatsächlich zur Familie der Entenvögel, genau wie die Gänse.

Tafelente ( Aythya ferina )

Artname (deutsch): 
Tafelente
Englischer Artname: 
Common Pochard

Die Tafelente gehört zu den seltensten Brutvögeln in Hessen, denn sie braucht dafür einen Lebensraum, den es bei uns nur selten gibt: Als Tauchente benötigt sie nährstoffreiche und gleichzeitig nicht zu flache Gewässer mit einem stabilen Wasserstand. Daher können wir die Tafelente bei uns oft an ehemaligen Fischteichen antreffen. Über längere Zeiträume hinweg kam es bisher nur in zwei Gebieten regelmäßig zu Bruten: Mooser Teiche im Vogelsbergkreis und Rhäden von Obersuhl in Hersfeld-Rotenburg. In der Lahnaue bei Gießen finden wir die Tafelente sporadisch oder nur über wenige Jahre. In Hessen nimmt der Brutbestand leider nicht zu und auch für bei uns überwinternde Tafelente geht die Tendenz zurück. Da die Tafelente Gewässer oft nur zeitweise nutzt und auf bestimmte Strukturen, wie eine dichte Verlandungszone, angewiesen ist, wird sie vom erhöhten Freizeitdruck in diesen Lebensräumen gestört.

Im Gegensatz zu den „Gründelenten“ taucht die Tafelente bis auf den Gewässerboden, um dort tierische und pflanzliche Nahrung zu suchen. Dabei bringt sie es auf erstaunliche 100-200 Tauchgänge pro Stunde.

Dorngrasmücke ( Sylvia communis )

Artname (deutsch): 
Dorngrasmücke
Englischer Artname: 
Common Whitethroat

Obwohl es bei den Dorngrasmücken immer einen Überschuss singender Männchen gibt – manche von ihnen besetzen zur Brutzeit auch mehrere Reviere – kann ihr Gesang mitunter etwas „unfreundlich“ umschrieben werden: „Heh da – Sie da – geh’n Sie mal weg da!“ Damit passt der kratzige Gesang gut zum dornigen Lebensraum. Diesen tragen die Männchen im Singflug oder von einer Warte aus vor. Wir können die Grasmücke mit den kontrastreichen rostbraunen Flügeln nur im Sommerhalbjahr beobachten. Wenn wir sie im dichten Gestrüpp entdecken, denn die Dorngrasmücke brütet in offenen Landschaften, die mit Hecken oder Einzelbüschen durchsetzt sind. Auch einzelne Dornenbüsche entlang von Bahngleisen oder verbuschte Obstwiesen werden von ihr bewohnt. Bei uns ist die Dorngrasmücke flächendeckend verbreitet und war sogar vor einigen Jahrzehnten die häufigste unserer Grasmückenarten, noch vor der Mönchsgrasmücke. Damit hat sie ihrem wissenschaftlichen Namen communis alle Ehre gemacht. Doch Ende der 1960er Jahre ging ihre Population in Europa dramatisch zurück: Als Langstreckenzieher überwintert die Dorngrasmücke in der Sahelzone und wurde vermutlich von Dürrejahren stark beeinflusst. Seit den 1990er Jahren verbessert sich die Bestandssituation wieder.

Waldwasserläufer ( Tringa ochropus )

Artname (deutsch): 
Waldwasserläufer
Englischer Artname: 
Green Sandpiper

Es gibt nur wenig sichere Brutnachweise des Waldwasserläufers in Hessen: um etwa 1900 und in den 1930er Jahren. Da es aus den letzten Jahren keine Bruthinweise gibt, gilt die Art bei uns als ausgestorben. Im Gegensatz zu anderen Watvögeln brütet der Waldwasserläufer in feuchten Bruch- und Auwäldern. Sein Nest baut er meist in alten Drosselnestern. Das Weibchen legt drei bis vier Eier und überlässt dann oft dem Männchen einen Großteil des Brütens und verlässt es manchmal schon vor dem Schlupf der Jungen. Ab Mitte Juni können so die ersten wegziehenden (weiblichen) Waldwasserläufer in Nord- und Osthessen beobachtet werden. Das Brutgebiet in Deutschland beschränkt sich vor allem auf den Nordosten, breitet sich jedoch scheinbar langsam nach Westen aus. Daher sollte in vernässten Waldgebieten im April auf balzende Waldwasserläufer und im Mai auf anhaltend warnende Tiere geachtet werden.